Zerrungen und Entzündungen von Sehnen (Tendinitis)
Sehnenverletzungen kommen bei Pferden sehr häufig vor und können das Ende einer grossen Sportkarriere bedeuten. Sehnenverletzungen müssen häufig in den Pferdekliniken, in der Pferdepraxis und auch als Notfalltierarzt direkt auf dem Sportplatz behandelt werden.
Wissenswertes zur Zerrung und Entzündung von Sehnen
Was ist eine Zerrung?
Eine Zerrung oder Überdehnung ist eine Schädigung der Sehne, hervorgerufen durch eine übermässige Belastung oder übermässigen Zug auf die Sehnenfasern. Die Sehne dehnt sich unter Belastung zu einem gewissen Mass aus. Wird durch die jeweilige Belastung der Sehne die Dehnungsgrenze überschritten, kommt es zur Zerreissung von Sehnenfasern.
Dabei kann eine Überdehnung zu einer leichten Zerrung der Sehne führen. Dies bedeutet, es zerreissen nur einzelne kleine Sehnenfasern, aber bei stärkerem Zug kann es auch zu einer vollständigen Durchtrennung der Sehnen führen.
Studien an Pferden haben gezeigt, dass sich die Sehnen im Schritt bis 3%, im Trab 6 – 8% und im Galopp bis 16% dehnen. Dies verdeutlicht, dass zwischen Wettkampfbelastung und der kritischen Belastung, bei der die ersten Sehnenfaser zerreissen, nur noch eine kleine Differenz besteht.
Typische Symptome einer Zerrung (Tendinitis) ?
Eine neu entstandene (akute) Zerrung oder Tendinitis kann man an mehreren Parametern erkennen. Zuerst einmal zeigt das Pferd eine Lahmheit an dem betroffenen Bein. Zusätzlich entsteht abhängig vom Schweregrad der Sehnenzerreissung eine Schwellung und vermehrte Wärme rund um die betroffene Sehne. Pferde mit einer Zerrung/Tendinitis zeigen zudem eine deutliche Schmerzreaktion bei Druck auf den entsprechend veränderten Sehnenanteil.
Eine vollständige Sehnenzerreissung führt dazu, dass das Pferd die betroffene Gliedmasse nicht mehr belastet. Wenn das Pferd nun doch laufen muss, kann man ein deutliches Absinken des Fesselkopfes im Vergleich zur Gegenseite erkennen.
Wie diagnostiziert man eine Sehnenzerrung?
Neben den zuvor genannten klinischen Symptomen einer Zerrung/Entzündung der Sehne kann man diese heutzutage mittels verschiedener bildgebender Verfahren nachweisen. Das häufigste verwendete bildgebende Diagnostikum ist der Ultraschall. Mit diesem kann man alle Veränderungen die mit einer Entzündung /Zerrung der Sehne einhergehen, wie Sehnenfaserzerreissungen, Schwellungen sowie eine Einblutung in die Sehne darstellen. Zusätzlich kann mittels Ultraschalles der Schweregrad der Verletzung besser eingeschätzt und im weiteren, der Heilungsverlauf kontrolliert und dokumentiert werden. Weitere bildgebende Verfahren die in der Diagnostik von Sehnenerkrankungen Anwendung finden sind die Szintigraphie, das MRT und das CT.
Elastographie von Sehnen – zeigt die Qualität des verheilten Sehnengewebes auf
Die Elastographie kann die mechanischen Eigenschaften von Sehnengewebe darstellen, also genau das, wozu der Graustufen-Ultraschall nicht in der Lage ist. Aus der Humanmedizin weiss man, dass gesunde Sehnen grundsätzlich zwar sehr elastisch sind, sich aber kaum komprimieren lassen, weil sie eine hohe Festigkeit aufweisen. Geschädigtes Sehnengewebe jedoch ist deutlich weniger fest, und einst geschädigtes Sehnengewebe sollte während der Heilung wieder zunehmend fest werden.
Elastographie von Sehnen – wie sehen die Bilder aus
Bei der Elastographie wird das Sehnengewebe mit der Ultraschallsonde komprimiert und die unterschiedliche Festigkeit des mehr oder weniger stark komprimierten Sehnengewebes untersucht. Während sich eine gesunde Sehne uniform fest (Farbcode: Rot, Orange) darstellt, sind Läsionen weich (Farbcode: Blau, Grün).
So lassen sich nicht nur Sehnenverletzungen darstellen, sondern unter Umständen auch akute von chronischen Sehnenverletzungen unterscheiden. Weiter kann man so Sehnenverletzungen während ihrer Heilung überwachen und das kontrollierte Bewegungsprogramm der aktuellen Festigkeit der Sehnenverletzung anpassen.
Kann auch mein Pferd eine Sehnenzerrung bekommen?
Grundsätzlich kann jedes Pferd an einer Sehnenzerrung erkranken. Es gibt allerdings Sportarten die zu einer Häufung von Sehnenerkrankungen führen können. So leiden Rennpferde deutlich häufiger an Sehnenzerrungen der oberflächlichen Beugesehnen im Vergleich zu Pferden in anderen Sportarten, da diese im Sport deutlich höheren Belastungen auf die Sehnen ausgesetzt sind. Hierbei spielt weniger das Gewicht des Pferdes als die Laufgeschwindigkeit des Pferdes eine prädisponierende Rolle.
Wissenswertes zur Behandlung von Sehnenzerrungen und Entzündungen
Wie behandle ich eine Sehnenzerrung?
Die Behandlung von Sehnenerkrankungen ist abhängig vom Schweregrad der Sehnenzerreissung/ Entzündung und vom Alter der Verletzung.
Akute Sehnenzerrungen
In akuten (frischen) Sehnenzerrungen/Entzündungen soll die Therapie den nachteiligen Wirkungen der Entzündung entgegenwirken. Initial sollte die betroffene Sehne mit kaltem Wasser oder Eis gekühlt werden. Dies begrenzt ein weiteres Entstehen von Blutungen in der Sehne oder Wassereinlagerungen (Ödem Bildung). Zusätzlich hat diese Kältetherapie schmerzlindernde Eigenschaften. Zwischen den Behandlungen sollten Druckverbände angelegt werden. Diese haben zum einen eine stabilisierende Wirkung, zum anderen wirken sie der Bildung von Ödemen vor.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Therapie ist die Ruhigstellung. So sollte das Pferd zu Beginn Boxenruhe haben. Zusätzlich bekommen Pferde mit akuten Sehnenzerrungen Schmerz- und Entzündungshemmende Medikamente systemisch und lokal verabreicht. Bei schweren Fällen wird die Gliedmasse mittels eines Gipses oder Cast komplett ruhiggestellt und stabilisiert.
In ausgewählten Fällen kann zusätzlich abhängig davon, welche Sehne betroffen ist ein Spezialbeschlag angebracht werden, um die jeweilige Sehne zu entlasten.
Moderne Therapien – Injektion der Sehne mittels Wachstumsfaktoren und/oder Stammzellen
Die Heilung der Sehne kann positiv unterstützt werden durch die lokale Therapie mit Wachstumsfaktoren wie PRP oder durch Stammzellen. Die Wachstumsfaktoren werden aus dem speziell aufbereiteten Eigenblut gewonnen und direkt unter Ultraschallkontrolle in den Sehnenschaden verabreicht. Wir gewinnen Stammzellen aus dem Fettgewebe, das Fett wird anschliessend ins Labor gebracht, die Stammzellen werden aus dem Fett herausgelöst, angezüchtet und vermehrt, bis Millionen Zellen vorhanden sind (dies dauert in der Regel 2-3 Wochen). Nachher werden diese Zellen in den Sehnenschaden gespritzt unter Ultraschall-Kontrolle.
Stosswellentherapie
Stosswellentherapie ist heute die Geheimwaffe gegen chronische Sehnenzerrungen und Verkalkungen in den Sehnen. Mittels eines Gerätes werden Schallwellen in das veränderte Gewebe gebracht, welche die Veränderungen „aufbrechen“ und zur Heilung anregen.
Eine vollständige Sehnenzerreissung führt dazu, dass das Pferd die betroffene Gliedmasse nicht mehr belastet. Wenn das Pferd nun doch laufen muss, kann man ein deutliches Absinken des Fesselkopfes im Vergleich zur Gegenseite erkennen.
Was ist Genipin?
Genipin wird aus der Gardenia-Pflanze gewonnen und ist ein sogenannter Collagen-Crosslinker, also ein Kollagen-Quervernetzer, wobei Kollagen der Baustein von Sehnen ist. Dieses Medikament wird unter einer leichten Sedation und Ultraschallkontrolle in die verletzte Sehne (bzw. in das gesunde Sehnengewebe im Übergang zwischen Sehnenschaden und gesundem Sehnengewebe) injiziert. Das an der Pferdeklinik des Tierspitals verabreichte Genipin wird von der Universitätsklinik Balgrist exklusiv für uns hergestellt.
Die aktuelle Dosierung basiert auf Erfahrungen aus vielzähligen Laboruntersuchungen der Universitätsklinik und ersten Erkenntnissen aus individuellen Behandlungen bei uns. Genipin wird in der Humanmedizin bereits seit etwa 20 Jahren vielseitig eingesetzt. So z.B. bei Bandscheibenproblemen, aber auch für die Behandlung der Hornhaut am Auge. Die Applikation bei Sehnenproblemen ist bis anhin den Pferden vorbehalten.
Laser, Magnetfeldtherapie und Ultraschall Therapie
Therapeutische Ultraschall- und Lasertherapie arbeiten grundsätzlich durch Erwärmung der Gewebe. Diese Therapiearten erfreuen sich momentan grosser Beliebtheit und können durchaus die Heilung positiv beeinflussen, wenn sie richtig angewendet werden.
Chronische Sehnenzerrungen
Sobald die akuten Entzündungszeichen abgeklungen sind, ändert sich die Therapie. Bei chronischen (mehrere Tage bis Wochen) Entzündungen von Sehnen, wird mit kontrollierter Bewegung im Schritt begonnen. Denn im folgenden Heilungsprozess ist leichter Zug auf das entstehende Narbengewebe wichtig, um möglichst frühzeitig die Ausrichtung der Sehnenfasern/Narbengewebe während der Sehnenheilung zu unterstützen. Narbengewebe, dass sich in der Zugrichtung der Sehne ausrichtet, ist im späteren Verlauf deutlich belastbarer.
Wann kann ich mein Pferd nach einer Sehnenzerrung/Entzündung wieder nutzen?
Der Heilungsverlauf der Sehne sollte engmaschig durch Ihren Tierarzt mittels klinischer und ultrasonographischer Untersuchungen im Abstand von 6 Wochen kontrolliert werden. Denn die Steigerung der Belastung im Rehabilitationsprogramm Ihres Pferdes ist davon abhängig, in wie weit sich der Defekt innerhalb der Sehne mit Narbengewebe auffüllt. Dies kann nur mittels Ultraschall kontrolliert werden.
Dementsprechend muss die Therapie unbedingt individuell an die ultrasonographischen Veränderungen der Sehne angepasst sein. So, dass die Belastung erst beim Erreichen eines genügend abgeheilten Zustandes der Sehne gesteigert wird.
Daraus folgt auch, dass der zeitliche Ablauf der Heilung einer Sehnenzerrung/Entzündung individuell sehr unterschiedlich und Abhängig vom Grad der Sehnenschädigung ist. So kann es bis zu einem Jahr, bei vollständigen Sehnenzerreissungen auch deutlich länger dauern, bis Ihr Pferd wieder wie gewohnt genutzt werden kann.
Chirurgische Therapien
In ausgewählten Fällen einer Tendinitis ist eine chirurgische Therapie möglich und wird Ihnen, wenn alle konservativen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft und dies indiziert ist, empfohlen.
Desmotomie des Unterstützungsbandes der oberflächlichen Beugesehne
Die Desmotomie des Unterstützungsbandes der oberflächlichen Beugesehne wird beim Pferd unter Allgemeinanaästhesie durchgeführt. Dieser Eingriff wird bei uns arthroskopisch minimal invasiv gemacht. Mit einer Kamera wird in die Karpalbeugesehnenscheide zugegangen und unter Sichtkontrolle wird mittels eines speziellen chirurgischen Hochfrequenz-Instruments das Unterstützungsband durchtrennt. In manchen Fällen muss auch das Retinakulum, ein Halteband der oberflächlichen Beugesehne, durchtrennt werden, weil es im Karpalkanal zu eng wird und das Retinakulum auf die entzündete Sehne drückt. Die Sehnenscheide wird im Anschluss gespült. Im letzten Schritt werden die kleinen Zugänge in der Karpalbeugesehnenscheide verschlossen und ein Verband angebracht. Nach dem Eingriff wird Ihr Pferd in eine spezielle Aufwachboxe gebracht, wo es von der Narkose aufwachen und sicher aufstehen kann.
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