Kastration Hengst
Die Kastration zählt zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen in der Pferdepraxis. Sicher nicht zuletzt aufgrund der Häufigkeit der Eingriffe, aber auch infolge der komplizierten Verhältnisse zählen Komplikationen nach der Kastration zu keiner Seltenheit. Hengste können stehend unter Sedation oder Lokalanästhesie sowie in Vollnarkose kastriert werden. Es gibt verschiedene operative Verfahren. Um die optimale Technik für ihr Hengst zu besprechen können Sie uns gerne kontaktieren.
Alles im Überblick – Kastration Hengst
ca. 0.5-1 Stunde | Kein Verband |
Vollnarkose | bei geschlossener Kastration: 2-3 Wochen Boxe mit kleinem Auslauf
bei offener Kastration: gewohnte Haltung |
2 Tage Spitalaufenthalt | bei geschlossener Kastration: 2-3 Wochen Schrittbewegung,
bei offener Kastration: gewohnte Bewegung |
keine Nahtentfernung | Sehr gute Prognose |
Wissenswertes zur Kastration eines Hengstes
Was ist die Kastration?
Die Kastration ist die operative Entfernung oder „Funktionsunfähigkeitsmachung“ der Keimdrüsen.
Mit welchem Alter wird ein Hengst in der Regel kastriert?
In der Regel werden die Hengste mit ein bis zwei Jahren kastriert. Nachdem das Testosteron mit für den Schluss der Wachstumsfugen verantwortlich ist, sollten die Pferde nicht vor 12 Monaten kastriert werden. Je älter die Hengste sind, desto stärker wird das Hengstverhalten und kann dann auch unterschiedlich lange nach der Kastration bleiben.
Fruchtbarkeit nach der Kastration
Bereits zwei Tage nach der Kastration werden keine fruchtbaren Spermazellen mehr gefunden, so dass die Hengste bereits nach einer Woche wieder zusammen mit den Stuten auf die Weide dürfen.
Untersuchung des Hengstes und Aufklärung des Besitzers
Bei jeder Kastration muss der Hengst vorgängig vollständig untersucht und der Besitzer über die Risiken der Operation bzw. Narkose aufgeklärt werden. Der Allgemeinzustand muss beurteilt werden, sowie der Impf- und Entwurmungsstatus.
Vor jeder Kastration am stehenden, eventuell sedierten Tier muss sich der Operateur versichern, dass beide Hoden im Hodensack liegen. Andernfalls müssen weitere Abklärungen vorgenommen und eine andere Operationsmethode gewählt werden (s.u.).
Bei älteren Hengsten (ab 3 Jahre) sollten die Inguinalringe palpiert werden. Falls diese sehr gross sind, muss eine geschlossene Kastrationstechnik gewählt werden.
Entscheidung über die Kastrationsmethode
Die Kastrationsmethode ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Angefangen von dem Alter des Hengstes, über die persönlichen Präferenzen des Tierarztes bis zu finanziellen Überlegungen, spielen viele verschiedene Faktoren eine wichtige Rolle.
Junghengste bis zum 3. Lebensjahr
Kastration unter Vollnarkose mit einem Zugang über dem Hoden. Der Samenstrang wird mit einer speziellen Zange gequetscht oder es wird eine Ligatur (Abbinden der Blutgefässe) angebracht. Die Operationszugänge werden offen gelassen.
Bei sehr kleinen Hengsten, Ponys und Esel werden die Blutgefässe im Samenstrang immer abgebunden statt gequetscht. Der Grund liegt darin, dass infolge des kleinen Gewebeanteiles die Quetschung keinen sicheren Verschluss garantiert.
Pferde ab dem 3. Lebensjahr
Unter Vollnarkose mit Zugängen im Leistenbereich. Der innere Teil des Hodensackes (Prozesses vaginalis) wird eröffnet, die Blutgefässe im Samenstrang abgebunden, der Hoden entfernt und dann wird alles vollständig wieder geschlossen. Diese Technik muss in einem sterilen Operationssaal durchgeführt werden. Sie ist von allen die sicherste Technik und hat am wenigsten Komplikationen.
Wägt man beide Operationen gegeneinander ab, so ist festzuhalten, dass der operative Aufwand inkl. Anästhesie bei der primären (geschlossenen) Kastration erheblich grösser ist. Andererseits ist die Komplikationsrate sehr klein und die Wundheilung schneller abgeschlossen, was für den Besitzer und das Pferd in der Regel angenehmer ist. Bei alten Hengsten mit weiten Leistenringen ist sie die Methode der Wahl.
Kryptorchismus – nicht abgestiegener Hoden
Heisst Verborgenhodigkeit und bedeutet, dass sich ein oder beide Hoden nicht im Hodensack befinden, ohne dass diese vorher chirurgisch entfernt wurden.
Die Ursache liegt in einem ausgebliebenen oder unvollständigen Hodenabstieg. Der einseitige Kryptorchismus ist mit 90 % wesentlich häufiger als der beidseitige Kryptorchismus. Weil im nicht abgestiegenen Hoden keine Samenzellen produziert werden, ist ein beidseits kryptorchider Hengst unfruchtbar. Einseitig kryptorchide Hengste sind fruchtbar. Kryptorchide Hengste zeigen einen Hengsthabitus. Die Kastration von kryptorchiden Hengsten ist in der Regel komplizierter, weil die Entfernung der kryptorchiden Hoden schwieriger ist.
Kryptorchismus – wo liegt der nicht abgestiegene Hoden
Es gibt 3 Formen:
- Der Hoden und Nebenhoden können sich in der Bauchhöhle befinden
- Der Hoden und Nebenhoden können sich im Leistenkanal befinden
- Der Hoden befindet sich in der Bauchhöhle und der Nebenhoden im Leistenkanal.
Kryptorchismus – welche weiteren Untersuchungen sind notwendig vor der Operation
- Abtasten des Leistenbereiches unter Sedation: Manchmal können Hengste den Hoden in den Leistenkanal aktiv hochziehen und wenn sie sediert sind lässt die Muskelspannung nach und die Hoden sind im Hodensack fühlbar.
- Ultraschall: Mittels Ultraschalluntersuchung kann die Lage des Hodens im Leistenkanal oder im Abdomen dargestellt werden.
- Rektale Untersuchung: Mit dieser Untersuchung kann der innere Leistenring und der Bauchraum untersucht werden.
Wie läuft eine Kastration bei uns ab
Wer operiert mein Pferd?
Um den höchsten Standard zu gewährleisten, werden Operationen von einem Chefarzt oder einer erfahrenen Oberärztin, einem erfahrenen Oberarzt geleitet.
Die Beratung
Eine intensive und ausführliche Beratung ist einer der wichtigsten Punkte bei einer OP. Wir erklären Ihnen die verschiedenen Möglichkeiten und empfehlen Ihnen eine Behandlungsmethode. Wir beantworten in aller Ruhe alle Ihre Fragen über Ablauf, Kosten, Risiken, Ergebnis und Pflege nach der OP.
Die Operationsvorbereitungen
Ihr Pferd wird am Tag vor der Operation stationär aufgenommen. Sie erhalten die Handynummern von unseren Tierärzten, damit Sie immer einen Ansprechpartner haben, wenn Sie Fragen haben. Jedes Pferd wird vor der Operation gewogen.
Ihr Pferd wird vom zuständigen Chirurgen und vom Narkosetierarzt untersucht. Dabei wird geschaut, dass beide Hoden in die Hodensäcke abgestiegen sind. Ist dies nicht der Fall kann sich der Bedarf für weitere Untersuchungen ergeben.
Ihr Pferd muss nüchtern sein vor der Operation und wird deshalb über Nacht gefastet.
Kastration – normaler Hengst
Vor der Operation wird Ihrem Pferd einen Venenkatheter gesteckt. Durch diesen werden vor der Operation breitspektrum Antibiotika, Entzündungshemmende Medikamente sowie Schmerzmittel verabreicht. Ihr Pferd wird in der Boxe leicht sediert und das Maul wird ausgewaschen.
Nach einer sanften Einleitung der Narkose wird die Haut im OP-Gebiet mehrfach desinfiziert, anschließend wird die Region mit sterilen Tüchern abgeklebt. Ein Harnkatheter wird über den Penis bis in die Harnblase geschoben damit das Operationsgebiet nicht mit Harn kontaminiert wird. Nun beginnt der eigentliche Eingriff. Die Kastration wird nach einer der vorher besprochenen Techniken durchgeführt.
Nach dem Eingriff wird Ihrem Pferd in eine spezielle Aufwachboxe gebracht, wo es von der Narkose ruhig aufstehen kann.
Kastration – kryptorchider Hengst
Kryptorchide Hengste müssen an einer Klinik in einem sterilen Operationssaal unter Vollnarkose kastriert werden. Bei Feststellung eines einseitigen Kryptorchismus darf in keinem Fall nur der im Hodensack liegende Hoden entfernt werden. Es müssen immer beide Hoden gleichzeitig entfernt werden.
Je nach Lage des Hodens wird über die Operationstechnik entschieden. Wenn der Hoden und der Nebenhoden ganz oder teils im Leistenkanal liegen kann über einen Zugang über dem äusseren Leistenring (analog einer Kastration) der Hoden aus dem Leistenkanal vorgelagert werden.
Liegt der Hoden komplett im Bauchraum muss mittels laparoskopischer Technik, das heisst über eine Bauchhöhlenspiegelung, der Hoden entfernt werden.
Die Narkose
Dieser Eingriff wird bei uns an der Klinik immer in Vollnarkose durchgeführt. Die heutigen sehr schonenden Narkosemethoden sind sehr sicher und deutlich weniger belastend als frühere Methoden. Alle Narkosen werden von speziell hierfür ausgebildete Tierärzte durchgeführt. Vor einer Operation wird Sie der zuständige Tierarzt über die Operation, die notwendige Narkose, allfällige Risiken und mögliche Komplikation informieren und Ihre Einwilligung für den Eingriff einholen. Bitte zögern Sie nicht, Fragen zu stellen um Unklarheiten oder Unsicherheiten zu vermeiden.
Ungefähr eine Stunde nach der Aufstehphase wird Ihr Pferd wieder in die Box gebracht und Sie können es ab diesem Zeitpunkt zu den normalen Besuchszeiten besuchen.
Alle Risiken zusammengefasst
Komplikationen nach Kastration kommen vor. Sie sind vielfältig. Sie sind jedoch sehr stark abhängig von der gewählten Operationsmethode. Mögliche Komplikationen sind:
- Blutungen
- Serombildung (Ansammlung von Wundflüssigkeit)
- Samenstrangfistelbildung
- Bauchfellentzündung
- Darmvorfall
Nach der Operation
Nach der Operation verbringt Ihr Pferd zur Sicherheit eine Nacht in unserer Klinik. Von ambulanten Operationen unter Vollnarkose raten wir eher ab, da Ihr Pferd so unmittelbar nach der Operation vorerst mal Ruhe hat und optimaler betreut werden kann.
Sechs Stunden nach Aufstehen aus der Vollnarkose wird Ihr Pferd mit einem Mash und Heu angefüttert. Ihr Pferd wird intensiv überwacht und es werden die notwendigen Medikamenten verabreicht.
Am nächsten Morgen werden die Operationswunden kontrolliert. Bei einer primären Operationsmethode braucht es in der Regel keine Nachbehandlung durch den Privattierarzt. Bei einer offenen Kastrationsmethode müssen die Operationswunden kontrolliert und gegebenenfalls durch den Privattierarzt gespreizt werden, um den Abfluss der Wundflüssigkeit zu begünstigen.
Die Nachsorge
Die Nachsorge ist für eine optimale Heilung und ein schönes Ergebnis sehr wichtig. Wir erklären Ihnen worauf Sie bei Ihrem Pferd zu Hause achten müssen, was Ihr Pferd machen darf und was nicht. Zudem erhalten Sie einen schriftlichen Bericht mit genauen Anweisungen. Die Nachsorge zu Hause wird durch Ihren Privattierarzt überwacht, diesen informieren wir bevor Ihr Pferd nach Hause geht.
Die Prognose und Abheilzeit
Die Prognose ist in der Regel sehr gut. Im Gegensatz zur offenen Kastration soll nach einer geschlossenen Operationsmethode (Primäre Kastration) das Pferd in den ersten 14 Tagen in einer Boxe mit Auslauf gehalten werden und nur leicht an der Hand geführt werden, um Wundschwellungen im Rahmen zu halten. Die Dauer der Rekonvaleszenz ist in der Regel 2-4 Wochen.
Das könnte Sie auch interessieren
Bauchhöhlenspiegelung (Laparoskopie)
Laparoskopie oder auch Bauchhöhlenspiegelung genannt ist ein minimalinvasiver Eingriff der meist stehend unter Sedation und einer Lokalanästhesie in einem Untersuchungsstand durchgeführt wird. Für unsere Spezialist:innen der Klinik für Pferdechirurgie ist die Laparoskopie ein Routineeingriff.