Dank Hightech und Computerplanung wieder zu einem funktionellen Bein und Gelenk

Wachstumsstörungen oder falsch bzw. gar nicht behandelte Frakturen können zu deformierten Gliedmaßen führen. Diese wiederum führen zu Fehlbelastungen der anliegenden Gelenke und können die Bildung von Arthrose zur Folge haben. Eine rechtzeitige und adäquate Behandlung kann dies verhindern, ist aber unter Umständen sehr komplex und bedarf einer sehr genauen Analyse und Planung. Die Nachsorge kann den Unterschied machen, wie schnell die OP zum Erfolg wird.
Hund mit angehobenen Bein

Achsdeformitäten können zu verschiedenen Arten von Gelenksinkongruenz führen. Das klassische Beispiel sind Achsdeformitäten von Radius und Ulna, oder auch Elle und Speiche genannt, die sekundär zu Ellenbogeninkongruenz führen können. Inkongruenz kann zu (chronischer) Osteoarthritis führen und kann schwerwiegende Folgen für ein Gelenk haben. Deswegen ist es essenziell, dass bei einer Achsdeformität die Kongruenz eines Gelenks evaluiert und gegebenenfalls behandelt wird. Die optimale Methode zur Beurteilung einer Inkongruenz und zur Auswahl einer optimalen chirurgischen Therapie ist eine Gelenksspiegelung oder Arthroskopie.

Die richtige Diagnose

In einem ersten wichtigen Schritt wird die richtige Diagnose gestellt. Dazu muss das Bein äusserst genau vermessen und unter Umständen auch in der Bewegung analysiert werden. Sobald die Diagnose gestellt wurde, kann mit der Planung der Therapie begonnen werden.
Die Diagnose kann z.B. heissen, dass der Patient X-Beine hat und daher die Kniescheibe rausspringt. Um dies zu bestimmen werden Längen und Winkel der einzelnen Knochen bestimmt und entweder mit anderen Hunden oder mit dem anderen Bein des Individuums vergleichen. Vereinfacht gesagt, der Knochen einer Bulldogge soll am Ende der OP nicht aussehen wie der eines Schäferhundes. Diese Daten existieren zum Teil schon für einzelne Rassen, im Einzelfall muss aber erst ein „Normal“ bestimmt werden. Mit der Diagnose X-Beine ist klar, dass man den Oberschenkel begradigen muss, damit die Kniescheibe an Ort und Stelle bleibt. Dieser Prozess dauert im Moment noch sehr lange. Unsere Spezialabteilung arbeitet aber mit anderen Arbeitsgruppen daran, künstliche Intelligenz zu nutzen, um diesen Prozess zumindest teilweise zu automatisieren.

Shape-Matching; Überlagerung des bewegten Röntgen
Abb. 1: Überlagerung des „bewegten Röntgen“ (Fluoroskopie) im Hintergrund und dem CT-Bild in Orange. Dieses Überlagern wird als Shape-Matching bezeichnet. Hier ist das Knie eines Hundes mit einer Kniescheibenluxation (Kniescheibe ist blau) abgebildet. Durch diese bewegte Untersuchung ist eine Analyse in Bewegung möglich, wodurch erstmal gezeigt werden kann, wo und wann in der Schrittabfolge die Kniescheibe tatsächlich luxiert.

OP Planung

Zur OP-Planung gehört das detaillierte Vorgehen im OP, also wo genau muss ich den Knochen begradigen und wie? Das kann z.B. heissen, dass ich einen Keil aus dem Knochen entfernen muss, damit ich den Knochen begradigen kann. Diese detaillierte Planung kann dann mittels OP-Hilfen im OP 1:1 umgesetzt werden. Diese OP-Hilfen werden patientenspezifisch 3D gedruckt und im OP angewendet. Sie werden so designt, dass sie in der OP auf eine bestimmte Stelle des Knochens gelegt werden, so dass dadurch die im Computer festgelegte Knochenstelle eindeutig definiert werden kann. Eine Schiene an der OP-Hilfe definiert dann den Schnitt am Knochen bzw. den Keil, der entfernt werden muss. Am Ende dient eine zweite OP-Hilfe, eine sog. Reduktionshilfe, dazu, die Knochenenden so auszurichten, dass das Bein am Ende in der gewünschten Position ausgerichtet ist.

Abb. 2: Mittels Computersoftware wird die OP möglichst genau patientenspezifisch geplant. Die Schnittführung und die Reduktion der Knochenfragmente ist mittels Sägehilfe sehr genau möglich und ermöglicht eine präzise Umsetzung der Planung im OP.

Im OP

In der OP werden die OP-Hilfen dann steril vorbereitet, um mit höchster Präzision die Korrekturen anzuwenden. Teils wird mit Osteotomien auch versucht die Kongruenz im Gelenk zu korrigieren. Dies wird dann in der OP mittels Arthroskopie kontrolliert. Nicht immer können die am Computer geplanten Änderungen in der OP auch so umgesetzt werden. Die Sehnen und Bänder, die die Knochen umgeben, haben sich oftmals schon so an das deformierte Bein „gewöhnt“, dass eine normale Form nicht toleriert wird. Dies können wir im Moment noch nicht am Computer simulieren, daher muss der Plan in der OP teils angepasst werden. Dies heisst aber nicht, dass die OP dann kein Erfolg mehr sein kann.

Abb. 3: Arthroskopisches Bild eines Ellenbogens eines Hundes mit einer Achsdeformität und sekundärer Inkongruenz. Radius (R), Ulna (U) und Humerus (H) sind sichtbar. Ein abnormaler Abstand zwischen Radius und Ulna (****) ist vorhanden, der mit einem reaktiven Entzündungsgewebe aufgefüllt ist. Diese Inkongruenz wird mit einem Tasthaken angedeutet.
Abb. 4: Intraoperatives Bild einer Vordergliedmaße. Die 3D gedruckte Sägehilfe wurde auf dem Knochen fixiert und nun kann sehr präzise an den Führungsschienen (Pfeile) der Knochen begradigt werden. Diese Schiene wird nachfolgend auch verwendet, um die Knochenenden in Position zu halten, bis diese mittels Platte fixiert sind.

Post OP

Die Nachsorge der OP ist wie beim Menschen sehr wichtig. Muskeln müssen aufgebaut, Gelenke beweglich gehalten und ein normaler Gang wieder gelernt werden. Diese Schritte gelingen schneller und oftmals auch mit einem besseren Endresultat, wenn man diesen Prozess mit Physiotherapie unterstützt.

Foto vor (links) und nach (rechts) der OP. Man sieht neben dem „krummen rechten Bein“ auch eine deutliche Entlastung der Gliedmaße. Das linke Bein erscheint deutlich „normaler“, d.h. nicht gerade, aber normal für diesen Hund.

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